The warmest welcome

Es war noch im kalten Berliner Dezember, als ich Miguel und Guillermo anschrieb. Wir hatten davor nur sporadisch Kontakt, eigentlich nur nach jedem (gewonnenen) Länderspiel zwischen Deutschland und Argentinien, ich glaub sie mochten meine Nachrichten nur bedingt.

“Hey ihr beiden, ich komme nach Buenos Aires, wollen wir uns auf ein Bier treffen?”. Wir wechselten ein paar Worte im Facebook-Chat, aber so richtig konkret wurde es nicht. Gut, wird wohl wieder eine der typischen Reisebekanntschaften sein, dachte ich mir. Ich hatte die beiden vor vier Jahren auf den Gili-Inseln in Indonesien kennengelernt und so oft verflüchtigen sich auch die aufregendsten Reisefreundschaften wieder: zurück im alten Leben hat man doch nicht mehr so viel gemeinsam.

Ein paar Wochen später stehe ich in Heathrow in der Boarding-Schlange für meinen Flug von London nach Buenos Aires, als mein Handy vibriert, Miguel hat mir eine Sprachnachricht hinterlassen: “Georg, ich hoffe du hast noch kein Hostel und keine Pläne, wir holen dich morgen am Flughafen ab und fahren fürs Wochenende aufs Land!”. Das Wifi reichte gerade noch für ein OK und die Flugnummer.

Vierzehn Stunden und ein gewöhnungsbedürftiges British Airways Frühstück später war ich nun in Buenos Aires. Beim Landeanflug konnte ich gleich noch meinen Irrglauben BA läge am Meer korrigieren: Argentiniens Hauptstadt liegt am Rio de la Plata, der zu meiner Verteidigung an der Mündung so breit, wie ein Meer ist, die Farbe erinnert aber eher an die Elbe im August 2002 und lädt dementsprechend zum Schwimmen ein. Die Immigration war unkompliziert und kaum draußen sehe ich auch schon Miguel und Guille: kurze Umarmung und schnell zum Auto, wo Gigi, Miguels Verlobte, und ihre Freundin Edna auf uns warteten. Ja, jetzt war ich wirklich da!

Gigi fährt. Miguel kommet aus Juyjuy, einer Bergregion im Norden, wo der Verkehr wohl etwas entspannter ist, und überlässt das Fahren im verrückten Verkehr Buenos Aires lieber seiner Hauptstadt-Freundin. Beide Hände frei nutzt er aber den Moment neues Wasser auf das Mate zu giessen. Gigi war noch nicht mal im zweiten Gang, da hatte ich die Mate auch schon in der Hand. Es gibt wenige Dinge, die so typisch argentinisch sind, wie gemeinsam Mate zu trinken. Dazu wird das Matekraut, was getrocknetem Oregano oder ähnlichem – ein Freund in Berlin musste mal sehr aufwendig in einer Polizeikontrolle erklären, dass Mate nicht mit dem BTM-Gesetz in Konflikt steht – ähnelt in einen kleinen runden Becher getan, mit Wasser aufgegossen und mit einem Metallstrohhalm, der Bombilla, getrunken. Es sind eigentlich nur zwei Schluck, dann wird der Becher neu aufgegossen und weiter rundum herumgereicht. Mate schmeckt bitter, aber hat einen ähnlichen Effekt wie Kaffee dank des Mateins. Zuckern ist verdammt uncool und auch sollte man es vermeiden zu früh Danke zu sagen, denn das heißt, ich will nicht mehr – ist genauso wichtig, wie sich in Deutschland beim Anstoßen in die Augen zu schauen.

Voller Energie kommen wir an. Das Landhaus liegt in San Vicente, ist aber Teil eines privaten Komplexes, welcher umzäunt und rundum bewacht ist. Am Eingang gibt es mehrere Barrikaden und jede Menge schwer bewaffnete Sicherheitsleute: ja, wir sind in Südamerika! Dank Passkarte kommen wir rein und werden wenig später herzlich von Hector und Beti, Gigis Eltern, begrüßt. Das Haus ist riesig, hat einen großen Garten und einen Pool. Irgendwie sieht alles etwas aus wie Australien, Land scheint es hier genug zu geben. Nach ein paar Kommentaren zu Jenny, der wohl sehr attraktiven Nachbarin, welche sich durch ihr Hinterteil und ihre öffentlichen Zumba-Übungen schnell einen Namen in der Nachbarschaft gemacht hat, sitzen wir wieder im Auto, um im Zentrum Fleisch einkaufen zu gehen.

Neben dem Mate und des Christentums ist wohl der Asado, Barbecue auf Argentinisch, die dritte Religion des Landes. Und die Carniceria Gomez im Zentrum San Vicentes ist wie ein Tempel, das Mekka eines jeden Grillmeisters, gerade einmal so groß wie ein Wohnzimmer, aber gefüllt wie ein Kornspeicher nach dem Sommer: an der Wand hängen fünf ganze Schweine, auf der Theke weitere 20 Hühner und so viel Rindfleisch, in verschiedenste Teile zerteilt, dass man das Gefühl hat, dass eine ganze Kuhherde hier kompakt liegt. Il Señor Gomez hat ein dickes Beil in der Hand und wartet nur darauf, den perfekten Grillmix zusammenzustellen, die Carniceria Gomez ist das Disneyland für Fleischliebhabers, und ein Horropark eines jeden Vegetariers. Miguel bestellt und wir fahren zurück zum Haus.

Die Jungs bereiten schnell das Fleisch vor, ein Stück Schwein wird mariniert, der Rest, vor allem Rind, bekommt nur etwas Salz ab. Hector hatte schon den Grill, ein Konstrukt so groß wie ein Tisch mit locker zwei Quadratmetern Grillfläche, vorgeheizt und es kann losgehen. Gigi und Edna hatten noch einen Alibisalat gemacht, der nimmt aber nur einen Bruchteil des Tellers ein. Wie in einem Sternerestaurant wird nun jedes Stück Fleisch – in Argentinien isst man echt jeden Teil der Kuh – nach und nach serviert. Nach dem 6. Gang hab ich aufgehört zu zählen, wohl auch abgelenkt von dem Geschmack, welchen ich gar nicht erst zu beschreiben versuche. Beeindruckend aber vor allem, wie frisch Fleisch sein kann, der Rand ist schön kross, das Innere so zart, dass man es löffeln kann. Sorry Australien, aber ich hatte gerade ganz sicher das beste Barbecue meines Lebens…und nach dem x-ten Gang nun auch verstanden, warum die Siesta hier überlebenswichtig ist.

Das Wochenende verlief weiter entspannt, wir aßen, scherzten, tranken den Hendricks-Gin, den ich aus Berlin mitgebracht hatte, und hatten einfach eine entspannte Zeit. Am Sonntagabend ging es dann zurück nach Buenos Aires, Guillermo bot mir an bei ihm und seiner Freundin (auch Guille, leicht zu merken)  zu wohnen und so nutzte ich die Gelegenheit von dort meine Tagestouristentrips zu starten.

Buenos Aires ist riesig, aber trotzdem gemütlich. Guille wohnte in der Nähe von dem Viertel Palermo, etwas wie das Kreuzberg von BA, was mich lustigerweise etwas aber eher an Surry Hils in Sydney erinnerte. Ansonsten ist Buenos Aires schön, aber architektonisch nichts spektakuläres. Das Zentrum ist ein riesiger Platz mit einem Obelisk, es gibt ein paar Kolonialgebäude im spanischen Stil, viele Kirchen, teilweise moderne Riesengebäude aus den 50ern – mich hat besonders das Verteidigungsministerium beeindruckt – und ein relativ neues Hafenviertel mit einigen Skyscrapern. Die anderen und kleineren Viertel, wie zum Beispiel San Telmo, laden nur dazu ein sich auf einen Kaffee oder ein Bier in ein Straßencafe niederzulassen. Generell findet das Leben auf der Straße statt. Gerade deswegen und dank des Verkehrs, fühlt sich Buenos Aires an, wie eine moderne Großstadt im Süden Europas, vielleicht wie ein Mix aus Barcelona, Neapel und Sydney, oder, vielleicht einfach “nur” wie Buenos Aires.

Auch die nächsten Tage vergehen schnell, wir gehen Tanzen am Montag – la bomba del tiempo, eine tolle Drumshow unter freien Himmel – und essen danach Pizza. Argentinier meinen die beste Pizza kommt aus Buenos Aires, aber keine Angst, stimmt nicht, die beste Pizza kommt weiterhin aus Neapel. Am Dienstag fahren mich Gigi und Edna nach Tigre, einer Deltamündung nördlich von BA, und schließlich beenden wir die ersten gemeinsamen Tage mit einem Abendessen (selbstgemachte Empanadas) auf Guilles Terrasse, denn ich hatte entschieden die Gastfreundschaft auch nicht auszunutzen und am Mittwoch nach Uruguay weiterzureisen: nach drei Tage fängt Fisch und Besuch an zu stinken, danke Mama für die wirklich nützliche und altbewährte Faustregel (für alle, die ich schon mal länger beherbergt hab: es gibt natürlich Ausnahmen 😉 ).

Der Abschied fällt schwer, Argentinier sind herzlich, ich natürlich auch, und die ersten Tage haben sich nicht nur so angefühlt, wie bei Freunden zu sein, sondern waren es auch. Miguel und Gigi heiraten im März und haben es nicht verpasst mich mehrmals daran zu erinnern, dass ich doch kommen soll. Eigentlich liegt es überhaupt nicht auf meiner Reiseroute, ich müsste von Kolumbien aufwendig und teuer wieder herunter fliegen, aber nach ein paar Bier einigen wir uns auf einen Deal: ich investiere 1000€ in Bitcoins (bzw. in Ethereums, für alle die mitfiebern wollen) und wenn der Markt es will komme ich. Natürlich crashten die Kryptowährungen gleich einmal eine Woche später, aber gut die Hoffnung stirbt zuletzt. Und, wenn ich ehrlich bin, heisst das eigentlich nur, dass mein Trip teurer wird, denn entgehen lass ich mir eine Hochzeit in Argentinien ganz bestimmt nicht … nur wissen das Miguel und Gigi noch nicht!

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